Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Musikfreunde, liebe Freunde des Homburger Sinfonieorchesters,
als Claude Debussys „Prélude à l’après-midi d’un faune“ im Dezember 1894 zum ersten Mal erklang, gingen die Meinungen darüber, wie so oft, stark auseinander. Die Inspiration zu diesem Werk, das wohl sein revolutionärstes Orchesterstück ist, hatte Debussy bei Stéphane Mallarmé, einem der größten Dichter des Symbolismus gefunden, der bereits in den Jahren 1865-1867 ein gleichnamiges Gedicht verfasst hatte. Das Konzertpublikum war Debussys Werk durchaus aufgeschlossen. Einige etablierte Pariser Komponisten wie beispielsweise Camille Saint-Saëns jedoch konnten Debussys Werk nichts abgewinnen. Ideenlos sei das Stück, kein einziger musikalischer Gedanke wäre darin zu finden. In der Tat liegt die Qualität des Werks nicht in der logischen Entwicklung des motivisch-thematischen Materials oder der Entfaltung komplexer musikalischer Gedanken. Vielmehr fängt Debussy feinste, volatile Stimmungen und Empfindungen ein und stellt diese musikalisch auf Dauer. Es ist eine von der Malerei (und vielleicht auch von Mallarmés symbolistischem Gedicht?) inspirierte Kompositionskunst. Feinste Klangnuancen, Tonmalereien, verselbständigte Klänge, die außerhalb des tonalen Kontextes stehen… Dies alles wird zur Signatur eines Werkes, das den Weg in Richtung Aufweichung der Tonalität wies und – gemeinsam mit anderen richtungsweisenden Stücken – zum Nährboden der Moderne wurde.
Einen echten Kontrast hierzu bildet Schostakowitschs 1. Konzert für Violoncello und Orchester. Zynisch, bissig, stellenweise makaber kommt dieses daher. Schostakowitsch hat sich – wie einst Johann Sebastian Bach – durch seine Initialen DSCH im Hauptthema dieses Konzerts verewigt und sich somit ein Denkmal gesetzt: Doch nicht nur seine eigene Person ist in seinem Werk präsent, sondern auch ein anderer, von dem Schostakowitsch sich mit aller Kraft abzusetzen und abzugrenzen versuchte: Das Cellokonzert wird oft als eine persönliche Abrechnung Schostakowitschs mit Stalin und der brutalen Unterdrückungspolitik des Regimes verstanden. Dass es Schostakowitsch tatsächlich darum ging, mit seinem musikalischen Werk auch ein politisches Bekenntnis abzulegen, wird besonders greifbar durch die Parodie des georgischen Liedes „Suliko“, das, wie behauptet wird, zu Stalins Lieblingsliedern zählte, und das in grell-verzerrter Form zu einer Art Seitenthema des 4. Satzes wird: In Anbetracht der politischen Ereignisse in der Ukraine erhalten die politische Botschaft Schostakowitschs und die Gewissheit, dass der Komponist seine Musik zu einem Sprachrohr machen musste, um sein Aufbegehren gegen politische und kulturelle Unterdrückung äußern zu können, eine neue Brisanz.
1959 wurde das 1. Cellokonzert, das zu den anspruchsvollsten Solokonzerten zählt, von Mstislav Rostropowitsch uraufgeführt. Heute erleben Sie Benjamin Jupé, Solocellist des Saarländischen Staatstheaters und langjähriger Freund des Homburger Sinfonieorchesters, mit diesem Meisterwerk der Celloliteratur.
In der zweiten Konzerthälfte widmen wir uns Mendelssohns 4. Sinfonie. Bei diesem Werk, das auch „Die Italienische“ genannt wird, handelt es sich, zumindest Mendelssohn zufolge, um „sein lustigstes Stück“. Daher vermag die 4. es hoffentlich, uns alle zuversichtlich in die Zukunft blicken zu lassen und dieses Konzert in gelöster Stimmung zu beschließen.
Ich wünsche Ihnen einen spannenden musikalischen Konzertabend!
Herzliche Grüße
Ihr Jonathan Kaell